Aus der Rubrik „Was!? Da auch!?“, heute: Südafrika

Die ARD hat die Critical Mass in Johannesburg besucht und beleuchtet, wie sie sich auch auf andere Aspekte der Stadt auswirkt:
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Vor einem Jahr bin ich selbst für ein halbes Jahr nach Südafrika – nach Kapstadt, um genau zu sein – um ein Praktikum zu absolvieren und dem miesen Berliner Winter zu entkommen.

Kapstadt ist eine wunderschöne Stadt mit Meer und Berglandschaften direkt vor der Haustür und vielen inspirierenden Menschen voller Tatendrang und unerschütterlicher positiver Lebenseinstellung (für Berliner oft schwer nachzuvollziehen 😉 ).
Leider ist Kapstadt aber nicht nur für diese positiven Aspekte bekannt, sondern eben auch für hohe Kriminalitätsraten, eine klaffende Schere zwischen Arm und Reich und eine Gesellschaft, die weiterhin die Spätfolgen des Apartheid-Regimes überwinden muss.

Auf meinem morgendlichen Weg zur Arbeit durfte ich immer wieder schmerzhaft erfahren, was es bedeutet, sich in einer Stadt zu bewegen, die extrem autozentrisch ausgelegt ist.
Man kann sagen, dass der morgendliche Arbeitsweg sich oft schwer nach Himmelfahrtskommando angefühlt hat.
Die Fußgänger-Ampeln sind spärlich gesät, Grünphasen für Fußgänger oft nicht länger als ein-zwei Sekunden, und auch wenn man diese nutzt, ist man schnell Kanonenfutter für Rechtsabbieger.
Neben dem Argument, dass man als Fußgänger nicht viel wert ist in dieser Stadt, ist so ein rollender Blechkäfig halt aber auch kein ganz guter Schutz vor Überfällen, die in Kapstadt keine Seltenheit sind.

Vielleicht ist das eine gewagte These, aber möglicherweise würde mehr Fahrradverkehr auf den Straßen Kapstadts die Stadt auch insgesamt sicherer machen.
Als Autofahrer ist man weniger Teil des Geschehens, da man viel Aufmerksamkeit auf die Straße richten muss. Mehr Fahrradfahrer könnten dazu beitragen, dass die Straßen öfter und wachsamer „patrouilliert“ werden.

Einer Sache bin ich mir aber sicher: Fahrradverkehr ist im Gegensatz zum Autoverkehr deutlich inklusiver. Man ist nicht isoliert von der Welt um sich herum. Man kann sich leichter verständigen (oft reicht ein Blick, um sich zu koordinieren), erlebt die Welt ungedämpfter und brauchte eigentlich keine starren Verkehrsregeln, die hauptsächlich dazu dienen, die Blechlawinen im Zaum zu halten. Am wichtigsten ist jedoch, dass man Respekt und Empathie für sein Gegenüber empfindet, welches nun kein anonymer Haufen Blech mehr ist, sondern ein echter Mensch. 🙂

Mehr Fahrradverkehr würde sowohl Johannesburg als auch Kapstadt gut tun und den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben, der Südafrika näher an Desmond Tutus Traum der „Rainbow nation at peace with itself“ bringen würde.

Wir aber sollten Acht geben, dass wir Berlin nicht zu einer ähnlichen Rennpiste verkommen lassen. Auch wir brauchen viel mehr Verkehr auf dem Fahrrad, leider passiert immer noch viel zu wenig, um diesem Ziel näher zu kommen.
Ich hoffe, dass die Berliner Politik nicht erst dann wach wird, wenn die Zustände hier genau so unerträglich sind wie in anderen Städten.

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