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Die Grünen im Wahlkampf – leider immer noch mit wenig ambitionierter Verkehrspolitik

Der Wahlkampf fürs Abgeordnetenhaus 2016 hat begonnen. Und wie es aussieht, wollen die Grünen mit einer ambitionierteren Verkehrspolitik punkten. Stefan Gelbhaar, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Sprecher für Verkehrspolitik, war gestern Gast bei TV Berlin in der Sendung Brinkmann & Asmuth.

Eine knappe halbe Stunde ging es um Radverkehr in Berlin. Stefan Gelbhaar war sehr lieb, stellte u.a. den Plan der Grünen, zwei (!) Straßen – eine West-Ost-, eine Nord-Süd-Achse – für den (Schnell-)Radverkehr auszubauen, vor, dafür sollen dann Querparkplätze in Schrägstellung gebracht werden, nicht etwa wegfallen, denn den Autofahrern darf ja nichts weggenommen werden.

Liebe Leute bei den Grünen: Wann kapiert ihr, dass ihr den Radverkehr nur voranbringen werdet, wenn ihr für Radverkehr, d. h. gegen motorisierten Individualverkehr seid, egal ob stehend oder fahrend? Mit welchem Recht dürfen Autos zwei Drittel des öffentlichen Straßenraums einnehmen, obwohl sie Emissionen und Lärm verursachen, Sicht- und Bewegungshindernisse bilden, für Tausende Unfälle verantwortlich sind, extreme Kosten verursachen für Straßenbau und -erhalt, Gesundheit, Umwelt? Und nur ein Drittel des Verkehrsaufkommens ausmachen?

Das verstehen von denen, die Rad fahren, mit dem ÖPNV unterwegs sind oder zu Fuß gehen, immer weniger. Zwei Drittel der Haushalte in Berlin verfügen über keinen eigenen Pkw. Das wären eure Wähler*innen. Eine satte Mehrheit.

Ich würde übrigens den Moderator Gereon Asmuth von der taz wählen. Der hat verstanden, dass Verhältnisse wie in Kopenhagen nur bekommt, wer mit einem Radwegenetz ein Netz und nicht zwei Straßen meint. Und der keine Angst vor Autofahrer*innen hat.

Morgen ist Critical Mass. 20 Uhr, Mariannenplatz. See you on the streets of Berlin.

Morgen, 26. 2.: Pressekonferenz Polizeipräsident Berlin und Senatsverwaltungen für Inneres … Stadtentwicklung und Umwelt

Der Polizeipräsident in Berlin und die Senatsverwaltungen für Inneres/Sport sowie Stadtentwicklung/Umwelt laden zur Pressekonferenz zum Thema Verkehrssicherheit ein

Der Polizeipräsident Klaus Kandt, der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Bernd Krömer, der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Christian Gaebler, sowie der Sachbereichsleiter Verkehr der Polizei Berlin, Andreas Tschisch, geben einen vorläufigen Überblick über die Verkehrssicherheitslage des Jahres 2014, ziehen eine Bilanz der Verkehrsunfälle und stellen die Schwerpunkte der Verkehrssicherheitsarbeit vor.
morgen, 26. Februar 2015, 10.00 Uhr

„Medienraum“, Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke 6, Tempelhof
Moderation: Kriminaldirektor Stefan Redlich, Pressesprecher der Polizei Berlin

Anmeldung bei der Pressestelle der Polizei Berlin bis 25.02.2015 unter der Rufnummer (030) 4664 – 90 40 90

Internet: www.polizei.berlin.de/presse-fahndung/presse.html

Gastbeitrag: die mitRADgelegenheit in Belgrad und Novi Sad

Florian Keiper war mit der mitRADgelegenheit in Belgrad und Novi Sad unterwegs. Ein Bericht von sieben Tagen Serbien im Fahrradsattel

Könnt ihr euch vorstellen, wie es ist, mit ein paar FreundInnen auf dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren? Ja? Aber könnt ihr euch auch vorstellen, dabei keine anderen Menschen auf Fahrrädern zu treffen? Jetzt wird es schon schwieriger.

Wir durften dies Ende November 2014 in Belgrad, der Hauptstadt von Serbien, erleben. Und ich kann euch sagen, es ist ein komisches Gefühl, aber irgendwie auch cool, weil wir uns wie eine Gang vorkamen. Aber fangen wir mal von vorne an. Wie kamen wir überhaupt nach Belgrad, und warum? Die mitRADgelegenheit hatte einen Austausch mit Gruppen und Initiativen in Serbien organisiert.

Die ersten Tage waren wir in Belgrad unterwegs. Die Veranstalter des Beograd Velograd Festivals hatten uns Fahrräder zum Erkunden der Stadt zur Verfügung gestellt. Allzu viel konnten wir gar nicht durch die City cruisen, da wir uns mit vielen Fahrradgruppen trafen.

Zum Beispiel mit den Leuten von Ulice Za Bicikliste: Zusammen haben wir eine Fahrradrampe gebaut und die Critical Mass vorbereitet. Mit den Leuten von Bajsologija und der Heinrich-Böll-Stiftung waren wir in einer Roma-Siedlung, um bei einem Workshop für Lastenräder zu helfen.

Culture Exchange Cafe
Culture Exchange Cafe

Auch in Novi Sad hatten wir volles Programm und eine sehr gute Zeit. Einziger Unterschied war, dass im Gegensatz zu Belgrad hier viele Menschen im Alltag auf dem Fahrrad unterwegs sind. Unsere zentrale Anlaufstelle in Novi Sad war die Bike Kitchen von Cultural Exchange. Ein Café mit Bike Kitchen ist schon eine ziemlich geniale Kombination. Unbedingt sollte hier auch noch die Novi Sad Cycling Initiative erwähnt werden. Die Leute haben uns großartig aufgenommen, uns ins Radio gebracht, sind mit uns Critical Mass gefahren und ganz wichtig: haben mit uns Bike Polo gespielt.

CM-Belgrad
Die Critical Mass in Belgrad

Bevor es zurück nach Berlin ging, sind wir noch mal für einen Tag nach Belgrad, um auch dort an der Critical Mass teilzunehmen. Von der Critical Mass ging es direkt zur CM-Feier und dann in Beststimmung weiter zum Bahnhof. 24 Stunden später waren wir zurück in Berlin.

Die sieben Tage in Serbien waren viel schneller vorbei als gedacht, und wir hoffen, dass wir unsere FreundInnen aus Belgrad und Novi Sad bald wieder treffen werden.

BBW: Bike Blogger Lounge, 20. 3., 16 Uhr, auf der STATION

BBW_Blogger Lounge

Für den 20. 3. laden Daniel vom Blog it started with a fight und Heinrich von der Initiative clevere Städte auf das Messegelände der Fahrradschau zur Blogger Lounge.

Gedacht ist die Veranstaltung als informelles Treffen der Fahrrad-Blogger-Szene, zum Kennenlernen, Netzwerken, Ideenschmieden. Es wird keine Vorträge oder Diskussionen geben, sondern ein gemütliches Zusammensitzen in einem gesonderten Raum auf dem Messegelände, mit etwas mehr Ruhe, W-LAN und eigenem Catering-Stand.

Als Fahrrad-Blogger und Fahrrad-Journalisten könnt ihr euch bei Katharina Schreiber (ks – at – berlinerfahrradschau.de) akkreditieren und habt damit freien Zutritt zur Messe, zur Blogger Lounge und zur anschließenden Eröffnung der Berlin Bicycle Week! Bitte Medium/Blog, für das ihr schreibt, angeben.

Wer kommen möchte, bitte eintragen in der doodle-Liste.
Oder, für die Facebooker, anmelden bei der offiziellen Facebook-Veranstaltung.

BBW Blogger Lounge, STATION Berlin, Luckenwalder Str. 4/6, 10963 Berlin
Freitag, 20. 3., 1618 Uhr

morgen, 22.2., Deutschlandfunk, 20:05: „Cyclomania“

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Zugegeben: Der Ankündigungstext macht nicht so richtig Lust. Mal wieder die Kampfradler-Gutmenschen-Ökofaschisten-Debatte … würde doch das Autofahren nur endlich kosten, was es kostet, nicht uns alle, sondern jeden Einzelnen, der glaubt, es unbedingt tun zu müssen. Bezahlung nach dem Verursacher-Prinzip. Das ist ja das einzige Argument, das die Mehrheit in diesem Land versteht. Zahlen.
Lebensqualität, Schönheit, Anmut, Freiheit, Freude, Kraft, Lächeln, Windjubel, Poesie – ja, das passt in keine Excell-Tabelle mit Summenzeichen. Das ist das Leben. Das wir lieben.
Das Fahrrad die genialste Maschine, die der Mensch erfunden hat. Und für die, die Zahlen brauchen: auch die effizienteste. Wirkungsgrad bis zu 97%. Schön!

Velo Berlin Film Award – jetzt abstimmen

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Bis zum 18. Januar waren Filmaffine auf der ganzen Welt aufgerufen, Kurzfilme zum Thema Fahrrad und Radfahren zu drehen und an die Velo Berlin zu schicken. Aus den 120 Einsendungen aus 45 Ländern wurden jetzt 18 Finalisten ausgesucht und für den Velo Berlin Film Award nominiert. Bis zum 21. März kann über die Vergabe des Haupt- und dreier Nebenpreise online abgestimmt werden: www.veloberlinfilmaward.com/

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Wer Lust hat, die Filme nicht nur auf Tablet und Smartphone, sondern gemeinsam mit anderen offline auf Großleinwand zu sehen, kann dies am 21. und 22. März auf der Velo Berlin tun.

Initiatoren: Velokonzept, Interfilm Berlin

BERLIN BICYCLE WEEK 16.–22.3.2015: Programmvorschau

imagesDie Berlin Bicycle Week – eine Woche Veranstaltungen, Rennen, Workshops und Partys rund ums Thema Fahrrad. Hier die wichtigsten Termine


16.–20. 3. HOLISTIC CYCLING Workshop
im Soho House: Fahrradfahren als Meditationsform mit Bicycle Yoga, Wellness und Ernährungsberatung – regt dazu an, die Welt vom Fahrrad aus mal anders zu sehen.

18.–20. 3. BICYCLE CONGRESS Start-ups, Gründer, Investoren und Menschen, deren Leben das Fahrradfahren besonders geprägt hat, laden zu Gesprächsrunden in der ganzen Stadt ein. Zusammen mit der Agentur für clevere Städte werden die wichtigsten Themen rund um Fahrrad, Lebensstil und Entwicklungen im urbanen Raum diskutiert.

18.–22. 3. MAUERRADWEG Das Symbol der Vergangenheit wird zum Weg in die Zukunft. E-Bike-Hersteller präsentieren ihre Modelle und bieten geführte Touren entlang der Berliner Mauer. Anmeldung an der STATION-Berlin.

20.–22. 3. BERLINER FAHRRADSCHAU Die weltweit größte Fahrrad-(Lifestyle-)Messe in der STATION Berlin. Auf fünf Ausstellungsflächen mit 15.000 Quadratmetern zeigen Start-ups und etablierte Hersteller die neuesten Entwicklungen. Sportler(-teams) bringen das Publikum in der Event Area zum Staunen.

20.–22. 3. FIXED DAYS Zahlreiche Events und tägliche Bike-Polo-Turniere, Minidrome Challanges und Goldsprints auf der BFS.

20. 3. RAD RACE BATTLE eröffnet die BFS Late Night.

21. 3. RAD RACE RENNEN auf der Kartbahn in Neukölln im Last-Man-Standing-Format.

20./21./22. 3. BICYCLE WEEK SERIES Drei berühmte Renn-Formate: Junkyard Cyclocross im Hinterhof der BFS, Strava „King of the Airfield“ Time Trail auf dem Tempelhofer Feld, Finale beim Primavera-Berlin-Rennen.

17.–20. 3. BICYCLE CINEMA im Eiszeit Kino: weltbekannte Klassiker, Dokumentationen, Kurzfilme, die die facettenreiche Fahrradkultur widerspiegeln.

20. 3. 24-Stunden-Fahr-Weltrekord-Versuch von Christoph Strasser auf dem Tempelhofer Feld.

21./22. 3. CLASSIC BICYCLE MARKET Für Sammler und Liebhaber von Retro-Fahrradrahmen, Ersatzteilen und Kleidung.

Critical Mass Bar Camp @ Berlin Bicycle Week, Freitag 20. 3., ab 11.30 Uhr

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Im Rahmen der Berlin Bicycle Week wird es ein Critical Mass Bar Camp geben.

Hier der Einladungstext:

Ein neuer Lebensstil macht sich breit auf unseren Straßen – das urbane Leben mit dem Rad. Die Critical-Mass–Bewegung ist Ausdruck dieser Lebensfreude, aber auch ein politisches Statement: „Wir sind Verkehr“ liest man auf vielen Blogs und Facebook-Seiten. Vereint in dem Gefühl, dass zu wenig für den Radverkehr getan wird, wollen wir uns treffen, vernetzen und diskutieren.

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11. 2. 2015 – Flashmob zum 1. Internationalen Falschparker-Tag

Am Mittwoch, dem 11. Februar 2015, findet der erste Internationale Falschparker-Tag statt. In Berlin treffen sich ab 13 Uhr Radfahrer*innen zum „Diskutieren“ in der Oranienstraße in Kreuzberg.

Anlass ist die zunehmende Gewohnheit von Motorisierten, auf Rad- und Gehwegen zu parken, ihr Fahrzeug mal eben in der zweiten Reihe abzustellen, um was auszuladen, einen Kaffee zu trinken – oder auch ganz selbstverständlich über Nacht, ohne Warnblink und jedes Unrechtsbewusstsein.
Dieses Verhalten blockiert nicht nur den Verkehr, es ist, insbesondere für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen, extrem gefährlich: Sie werden behindert, ihrer Sicht beraubt, müssen ausweichen, oft mitten in den Fließverkehr hinein.

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Wie wäre es, die Sache mal umzudrehen und sich mit Rad oder Cargo-Bike in die zweite Reihe zu stellen? Ob das auch so ohne jede Sanktion seitens der anderen Verkehrsteilnehmer*innen, des Ordnungsamts und der Polizei abgeht?

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Critical Mass in D – das war 2014 – 2015 wird noch besser!


Daniel hat auf seinem Blog it started with a fight eine Zusammenfassung der CMs in Deutschland fürs Jahr 2014 geschrieben. Ergänzt um Grafiken von der Initiative clevere Städte.

Im Frühjahr hatte er die Idee, mal die im Fahrrad-Wiki vor sich hin rottende Liste auf den aktuellen Stand zu bringen, schrieb die Städte an, fragte bei den FB-Admins nach, listete, verlinkte, freute sich über die Karte der Wuppertaler – und bat um Daten: von weiteren CMs, die dazukamen, von Treffpunkten und -uhrzeiten, von den Teilnehmer*innenzahlen.

Wir wissen immer noch nicht, was den Ausschlag für das rasante Wachstum letztes Jahr gab. Im Mai schossen die Zahlen in die Höhe, nicht nur in Berlin, wo wir fast die 3.000er Marke erreichten. Aber sicher spielte Daniels Engagement eine Riesenrolle. Nicht nur, dass man jetzt sehen konnte, wo überall in D gefahren wird, es motivierte auch viele Städte, gleichfalls eine CM zu starten. Angefangen hat die Liste mit ca. 45 Einträgen; inzwischen sind es 83 – davon fahren 70 ganzjährig.

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Gastbeitrag: Psychologie des Pkw-Fahrens

Am 26. November 2014 erschien in der Online-Ausgabe des Londoner Wochenblatts „The Telegraph“ ein Erfahrungsbericht des pendelnden Radfahrers Hugh Morris. Darin fragt er sich, weshalb Radfahrer bei anderen Straßennutzern, insbesondere Car-Usern, solche Aggressionen auslösen, dass sie diese nicht nur verbal attackieren, sondern ihre Fahrzeuge sogar als Waffen gegen sie einsetzen.

Arne Ludorff hat nach dem Lesen des Beitrags eine Psychologie des Automobilisten entworfen – Versuch einer Antwort in sechs Thesen.

1. Der abgeschlossene Raum eines Pkw schafft eine eigene Realität

Oben, unten, vorne, hinten, links und rechts ist Blech, der Pkw ist ein abgeschlossener Raum. Das schafft Distanz. Die Wahrnehmung der Welt da draußen passiert durch die Windschutzscheibe. Wie im Kino oder Fernsehen: Das, was hinter der Mattscheibe, hinter der Windschutzscheibe geschieht, geschieht nur mittelbar.

Die Wirklichkeit außerhalb des Pkw wird zum Strang an Eindrücken, der von einem Strang bloßen Erzählens nicht zu unterscheiden ist. Draußen regnet es, aber man selbst sitzt im Trockenen; die Scheibe schützt vor dem rauen Wind. Während aber im Kino die Grenze zwischen Erzählung und Wirklichkeit verschwimmt, wird beim PKW-Fahren die Wirklichkeit hinter der Windschutzscheibe zu einem Nebensatz verkürzt, der nicht mehr berührt. Die Ampel schaltet auf Rot – schnell noch Gas geben und rüber. Die Frau mit Kinderwagen – muss sehen, wo sie bleibt, ist auch schon weg, nur noch eine Ahnung im Rückspiegel. Dann, beim Rechtsabbiegen, ein verdammter Radfahrer, was macht der auch auf der Straße – Game over.

2. Die Wahrnehmung der Außenwelt ist eingeschränkt

Wer in der Fahrgastzelle sitzt, bekommt weniger mit als der, der seine Nase im Wind hat. Das Sichtfeld ist durch A-, B- und C-Säule eingeschränkt, und auch durch die Kopfstützen. Der Schulterblick wird ab einem  gewissen Alter schwierig. Geräusche werden gedämpft; andere Verkehrsteilnehmer sind nicht zu hören, es sei denn, sie machen sich durch Hupen bemerkbar. Riechen, auch das kann Informationen bspw. übers Wetter oder den Zustand der Straße geben, fällt aus. Ergomotorik, na ja, ein bisschen durch die Fliehkräfte in den Kurven und beim Beschleunigen/Bremsen; ansonsten sitzt man im Pkw gut gefedert. Um die Sinne nicht zu unterfordern, schaltet man das Radio ein. Oder telefoniert.

3. Die Windschutzscheibe als venezianischer Spiegel

Der venezianische Spiegel ist halb durchlässig: Er lässt den Blick in eine Richtung passieren, in der anderen ist man vor Blicken geschützt. Das Innere des Pkw ist für die Außenwelt fast nicht einsehbar. Blickkontakt, Handzeichen, jede Form von Kommunikation wird damit erschwert. Nur nicht die mit sich selbst. Der Pkw wird zum Beschleuniger der eigenen Psyche. In ihm lässt sich großartig fluchen und schimpfen, aller Frust, der sich in der Seele angesammelt hat, kann endlich raus.

Will man aber, aus dem Inneren des Pkw, doch etwas nach außen mitteilen, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Hand auf die Hupe und/oder Fuß aufs Gaspedal.

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Gastbeitrag: Frust und Freuden

Mit Wohnmobil und Rad in Belgien und den Niederlanden unterwegs – ein Bericht aus Bewegungssicht von Nico Jungel


Umgebauter Krankenwagen, zwei Fahrräder hintendrauf. Los geht’s in Berlin, Ziel ist Boom in Belgien, ein Vorort der Stadt Antwerpen. Aber erst mal German Autobahn, mit 120 km/h rauscht der effizient genutzte Wagen, blablacar-Mitfahrer und sowieso zu siebt im Carsharing, in noch flachere und wesentlich windigere Gefilde.

Von Boom dann mit geliehenem Kleinwagen rein nach Brüssel. Der Brüsseler Verkehr erinnert an den europäischen Verwaltungsapparat: dicht und langsam. Und lückenlos. In Brüssel fährt man nicht Auto, man bewegt es von Zeit zu Zeit. Ein auffällig angezogenes Paar konnten wir nach einer Strecke von ca. fünf Kilometern wieder an unserem Auto vorbeilaufend, nein, -schlendernd!, ausfindig machen. Wir brauchen eine Stunde vom Stadtrand, bis das Auto geparkt ist.

Fahrradfahrer? Fehlanzeige. Hier und da mal wer in Signalmontur. Ein paar Tage später sitzen wir selbst auf dem Rad, und uns wird schnell klar, warum wir so ziemlich die Einzigen sind. Fahrradwege sind kaum vorhanden, zwischen und neben den Autos kommt man kaum durch, da diese selbst schon jeden halben Meter nutzen. In der Hackordnung stehen wir eindeutig unten. Dass das gesamte Stadtgebiet eigentlich Parkzone ist und somit nur Anwohnern und gebührenunempfindlichen Personen vorbehalten, bringt nichts. Es lärmt und hupt und macht überhaupt keinen Spaß, von der Stadt nehmen wir nur etwas wahr, wenn wir anhalten.

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Jubiläum: 10 Jahre „The High Cost of Free Parking“

Vor zehn Jahren erschien in der Planners Press, Chicago, ein 700-Seiten-Buch mit dem Titel „The High Cost of Free Parking“. Autor war Donald Shoup, Professor für Stadtentwicklung an der University of California, L. A., und Direktor des dortigen Instituts für Verkehrswissenschaften.

Donald Shoup auf einem Vélib-Leihrad in Paris
Donald Shoup auf einem Vélib-Leihrad in Paris, Foto via http://shoup.bol.ucla.edu/

In den USA verbrauchen Parkplätze und -buchten eine Fläche in der Größe des Bundesstaates Connecticut. Bei einer globalen privaten Automobilquote, die mit der in den USA vergleichbar wäre, und einer ähnlichen Praxis, die der Logik „ein Fahrzeug = eine Parkbucht im öffentlichen Straßenraum“ folgt, wäre, um alle Autos abstellen zu können, eine Fläche in der Größe von England notwendig.

Shoup zeigt in seinem Buch, das zu den Klassikern in der Stadtentwickler-Szene gehört, dass das Überangebot an kostenlosem Parkraum eine gigantische öffentliche Subvention darstellt, die das Autofahren gegenüber alternativen Mobilitätsformen (Gehen, Radfahren, ÖPNV) extrem bevorteilt. In riesigem Ausmaß werden öffentliche Ressourcen (Straßenraum, Land, Luft) privatisiert und sind nicht oder nur noch eingeschränkt durch andere Akteure nutzbar. Durch die Privatisierung treten selbstverstärkende Mechanismen auf, die rasch zu einer Übernutzung der Ressourcen führen. Städtische Infrastrukturen werden nicht mehr für die Bewohner, sondern für Autos gebaut. Der private Autoverkehr beansprucht das Common Good Straßenraum so stark, dass er andere Gruppen in ihrer Mobilität nicht nur einschränkt, sondern physisch gefährdet.

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Falschparken in Deutschland – der Status quo (1)

Folge 1: Berlin-Moabit, Berlin-Mitte und Berlin-PB, 22.12.2014, zwischen 12 und 14 Uhr:

Wir würden gern eine kleine Serie starten, mit Fotos von unseren schönen Straßen, Kreuzungen und Plätzen voller (falschparkender) Pkw und Lkw. Wer Lust hat, schicke Bilder an: kontakt@criticalmass-berlin.org.
Nicht nur aus Berlin, sondern aus allen deutschen Städten und Gemeinden.
Ein Status-quo-Bilderbogen.

Wer mehr Radverkehr will, muss deutlich sagen, dass er einen Gegner hat: das Auto

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Es wird diskutiert. Im adfc, mit dem adfc. Darüber freuen wir uns.
Denn wir brauchen mehr Öffentlichkeit. Eine Diskussion darüber, wie wir leben wollen. In den Städten und auf dem Land.

(Dass hier auf dem Blog eher aus einer großstädtischen Perspektive, und zwar der Berliner, geschrieben wird, ist klar und keine Arroganz, es ist der Blog der CM Berlin. Hier kennen wir uns am besten aus, sehen die Fortschritte und wissen um die vielen, vielen Probleme. Das bitte beim Weiterlesen im Kopf behalten.)

Der größte Fortschritt, den der Radverkehr in den letzten Jahren gemacht hat, ist seine Zunahme am Gesamtverkehrsaufkommen. Für Berlin bedeutet das: Ohne dass die Stadt sonderlich viel unternommen hätte, sei es bei der Finanzierung, der Bildung oder gar einem Nachdenken darüber, wie Berlin wirklich eine Fahrradstadt werden könnte, fahren immer mehr Menschen Rad. Das ist erstaunlich, denn es wird ihnen nicht gerade leicht gemacht.

Sie tun es trotzdem. Und zwar nicht, weil es gesund, ökologisch und ressourcenschonend ist – sondern weil Radfahren billig ist und man auf dem Rad am schnellsten vorankommt. Und weil es Spaß macht. Sogar bei solchem Wetter wie gerade: Mordswind und Schneeregen. Wer da in seinen klatschnassen Klamotten nicht in die Kapuze lacht und, während die Finger wieder auftauen, seine Lebendigkeit spürt …

Die spürt man auch, als etwas sehr Kostbares, wenn einem mal wieder die Vorfahrt genommen wurde. Von den Verkehrsteilnehmern, die die Radfahrer*innen am meisten behindern, bedrohen, verletzen, töten: den Autofahrer*innen. Aber wer so spricht, wer klar sagt, wer der Hauptgegner des Radverkehrs ist, macht sich gegenüber Politik und Verwaltung lächerlich und kann unmöglich ernst genommen werden.

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