Die Grünen im Wahlkampf – leider immer noch mit wenig ambitionierter Verkehrspolitik

Der Wahlkampf fürs Abgeordnetenhaus 2016 hat begonnen. Und wie es aussieht, wollen die Grünen mit einer ambitionierteren Verkehrspolitik punkten. Stefan Gelbhaar, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Sprecher für Verkehrspolitik, war gestern Gast bei TV Berlin in der Sendung Brinkmann & Asmuth.

Eine knappe halbe Stunde ging es um Radverkehr in Berlin. Stefan Gelbhaar war sehr lieb, stellte u.a. den Plan der Grünen, zwei (!) Straßen – eine West-Ost-, eine Nord-Süd-Achse – für den (Schnell-)Radverkehr auszubauen, vor, dafür sollen dann Querparkplätze in Schrägstellung gebracht werden, nicht etwa wegfallen, denn den Autofahrern darf ja nichts weggenommen werden.

Liebe Leute bei den Grünen: Wann kapiert ihr, dass ihr den Radverkehr nur voranbringen werdet, wenn ihr für Radverkehr, d. h. gegen motorisierten Individualverkehr seid, egal ob stehend oder fahrend? Mit welchem Recht dürfen Autos zwei Drittel des öffentlichen Straßenraums einnehmen, obwohl sie Emissionen und Lärm verursachen, Sicht- und Bewegungshindernisse bilden, für Tausende Unfälle verantwortlich sind, extreme Kosten verursachen für Straßenbau und -erhalt, Gesundheit, Umwelt? Und nur ein Drittel des Verkehrsaufkommens ausmachen?

Das verstehen von denen, die Rad fahren, mit dem ÖPNV unterwegs sind oder zu Fuß gehen, immer weniger. Zwei Drittel der Haushalte in Berlin verfügen über keinen eigenen Pkw. Das wären eure Wähler*innen. Eine satte Mehrheit.

Ich würde übrigens den Moderator Gereon Asmuth von der taz wählen. Der hat verstanden, dass Verhältnisse wie in Kopenhagen nur bekommt, wer mit einem Radwegenetz ein Netz und nicht zwei Straßen meint. Und der keine Angst vor Autofahrer*innen hat.

Morgen ist Critical Mass. 20 Uhr, Mariannenplatz. See you on the streets of Berlin.

  1. Man kann BikeBlogBerlin zugute halten, dass er die Sendung nicht gesehen hat, aber ich fand Gelbhaar schon etwas sehr lieb, ganz so, wie everydaycm es in seinem Beitrag beschreibt. Etwa, wenn er im Gespräch mit Brinkmann und Asmuth betont, dass man auf keinen Fall eine Fahrradstraße einrichten dürfe, die von den Radfahren nicht nachgefragt wird. Da braucht sich der Gelbhaar wirklich keine Sorgen zu machen, innerhalb des S-Bahnrings wird definitiv jede eingrichtete Fahrradstraße auch genutzt werden.

    Da ist sie wieder, die tiefe Angst der Grünen, von den Autofahrern nicht geliebt zu werden. Jeder erinnert sich noch, wie Künast als Kandidatin für den Posten der Regierenden eingeknickt ist und von Tempo 30 Abstand genommen hat. Die Grünen versuchen seit Jahren, sich als Elektroautofahrerpartei zu profilieren, sie sind leider nicht wirklich die Partei der Radfahrer.

    Ich teile nicht jede Kritik von everydaycm. Seine Mäkelei an den angeblich nur zwei Straßen, die die Grünen als Beginn des Fahrradstraßennetzes vorschlagen, ist daneben. Es handelt sich um zwei Straßenzüge, die jeweils aus Dutzenden von Straßen bestehen und durch die gesamte Innenstadt führen.

    Auch die Vorschläge, die Gelbhaar für die nächste Legislaturperiode vorschlägt, sind meines Erachtens ganz vernünftig, nämlich:
    1. Fahrradstraßennetz
    2. Radverkehrsbeauftragten
    3. An jede Hauptverkehrsstraße eine Radverkehrsinfrastruktur
    4. Vernünftiges Leihfahrradsystem

    Dennoch, so ganz traue ich den Grünen nicht, auch deshalb, weil ich die „grünen“ Radverkehrsprojekte inzwischen kenne, siehe zum Beispiel der Umbau des Kottbusser Tors.

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