Juten Tach, ich bin … Nico

Nico lebt in Neukölln. Der 39 Jährige ist ein leidenschaftlicher Reiseradfahrer. Seine Touren führen ihn zum Beispiel durch Nordosteuropa oder auch mal von Deutschland nach Indien. Von diesen und anderen Reisen berichtet er auch auf seinem Blog, aber nun lest selbst…

Wie oft bist Du im Alltag mit dem Rad unterwegs?

Sofern die Straßen nicht wirklich vereist sind, erledige ich alles mit dem Fahrrad. Ich brauche weder ein Auto noch nutze ich, bis auf seltene Ausnahmen, öffentliche Nahverkehrsmittel.

Mit welchem Rad fährst Du am liebsten?

Am meisten Spaß macht es mir, auf gut asphaltierten Straßen mit dem Rennrad zu fahren, weil ich damit sehr schnell und unbeschwert voran komme. Für längere Radreisen und zum Transport von Dingen, weiche ich jedoch auf ein stabiles Reiserad mit Hinterradgepäckträger und Lowrider aus.
Meist aber fahre ich die alltäglichen Wege mit einem älteren Trekking-Rad, das seine besten Tage bereits hinter sich hat, vermutlich entsprechend weniger diebstahlgefährdet ist und nicht mehr ganz so sehr geschont werden möchte.

Wann war Deine erste Critical Mass? Was empfandest Du dabei und wie bist Du darauf aufmerksam geworden?

Erstmals bin ich zufällig vor einigen Jahren spät abends auf dem Weg nach Hause am Schlesischen Tor auf die Critical Mass gestoßen, habe mich spontan entschlossen mitzufahren und dachte „toll, jetzt gehört die Straße ausnahmsweise mal uns“. Zu meiner Enttäuschung war die CM jedoch bereits 300 Meter weiter auf der Oberbaumbrücke schon wieder zu Ende.

Fährst Du regelmäßig mit?

Ich bin mehrmals im Jahr dabei, zugegebenermaßen vor allem in den Sommermonaten, weil es mir dann besonders viel Spaß macht.

Was ist Deine Intention an der Critical Mass teilzunehmen?

Es ist großartig, gemeinsam mit anderen Radfahrerinnen und Radfahrern durch die Stadt zu fahren, ohne dabei den alltäglichen Gefahren des motorisierten Verkehrs ausgesetzt zu sein. Diese Gelegenheit hat man sonst nicht. Außerdem finde ich es wichtig, dass der Radverkehr sichtbarer und endlich ernst genommen wird. Zu guter Letzt spielt aber natürlich auch der Spaßfaktor eine wesentliche Rolle.

Was ist Deiner Meinung nach besonders positiv an der Critical Mass und dadurch extra erwähnenswert?

Die Diversität der Teilnehmenden überrascht mich immer wieder. Es fahren nicht nur viele, sondern auch die unterschiedlichsten Menschen mit, was sehr schön wiederspiegelt, dass Radverkehr ein großes gesamtgesellschaftliches Thema ist
Außerdem möchte ich mich bei dieser Gelegenheit einmal bei all denjenigen bedanken, die die Critical Mass mit mobilen Musikanlagen und kreativ geschmückten und beleuchteten Rädern bereichern. Das trägt natürlich maßgeblich zu der positiven Stimmung bei.

Gibt es auch negative Aspekte, die Du uns mitteilen möchtest?

Ich finde es sehr schade, dass die Veranstaltung nicht deutlich und selbstbewusst eine politischen Botschaft transportiert. Aus versammlungsrechtlicher Hinsicht habe ich natürlich Verständnis dafür, wenn man betont, dass es sich explizit nicht um eine Demonstration handelt, aber dass die CM nichts anderes sei als ganz gewöhnlicher Straßenverkehr, ist unglaubwürdig und lässt das Ganze etwas eigenwillig dastehen.
Wenn tausende von Menschen gemeinsam und ziellos mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren, versteht das in Wirklichkeit niemand als üblichen Straßenverkehr. Es ist ein Happening, bei dem das Verhältnis zwischen Rad-und Autoverkehr kurzzeitig auf den Kopf gestellt und damit unweigerlich das sonst übliche Missverhältnis auf der Straße in Frage gestellt wird.
Doch durch die Entpolitisierung der Critical Mass geht der Bewegung leider viel potenzieller Rückenwind verloren, den sie so dringend bräuchte, um in Berlin endlich eine echte Verkehrswende voranzutreiben.

Wie stellst Du Dir das Radfahren in der Stadt der Zukunft vor? Was wünschst und erhoffst Du Dir hierfür?

Ich engagiere mich für eine ganz grundlegende verkehrspolitische Veränderung. Der motorisierte Individualverkehr hat, bis auf klar definierte Ausnahmen, nichts in einem urbanen Lebensraum verloren.
Die Stadt muss so gestaltet werden, dass Radfahren für alle Altersgruppen komfortabel und sicher wird. Aber nicht nur Radfahrenden käme eine solche Verkehrswende zugute. Lärmreduktion, saubere Luft, Sicherheit und Flächengerechtigkeit betrifft alle Menschen gleichermaßen, und deshalb müssen wir uns den öffentlichen Raum endlich wieder vom Auto zurückholen.



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