Der adfc und die Petition gegen Falschparken: Warum wir starke Forderungen brauchen

ADFC-Logo1-290x290Die von der Initiative für clevere Städte initiierte Petition „Machen Sie das Zuparken teurer, Herr Verkehrsminister!“ sorgt im Interessenverband der Radfahrerinnen und Radfahrer, dem adfc, für lebhafte Diskussionen.
Nachdem der Bundesvorstand in einem intern verschickten Newsletter gegen die Unterstützung der Petition Stellung bezogen hat, diskutieren jetzt die Landes- und Kreisverbände über das Thema. Einige unterstützen die Petition, andere haben keine offizielle Verlautbarung, wieder andere haben sich gegen das Unterzeichnen der Petition ausgeprochen.

Ein Argument, dem man beim adfc häufig begegnet, ist: Das lässt sich politisch nicht durchsetzen, wenn wir das fordern, werden wir von Bundespolitik, Landespolitik, Kommunalpolitik nicht ernst genommen. Viele Mitglieder sind über diese Haltung frustriert. Sie wünschen sich mehr Biss, mehr eigene, klar formulierte Forderungen, Aktionen, die auf Missstände hindeuten. Und vielleicht auch: die große Vision! Nicht das Ausmessen von Radwegebreiten und Schlaglöchern, sondern ein selbstbewusstes Campaigning für die Rechte und den Schutz von Radfahrer*innen (und Fußgänger*innen). Bei Diskussionen, die ich mit vielen adfclern geführt habe, war die Hauptforderung klar: mehr Sicherheit beim Alltagsradeln => d.h. Tempo 20-30 als Regelgeschwindigkeit in Städten, autofreie Schulwege, sichere Abstellplätze für Fahrräder, Abbau von Ampelanlagen etc. zugunsten von Shared Space und Kreiseln, SUV-Verbot in Innenstädten, Pendlermaut, hohe Bußgelder für Gefährdung von nicht durch Karosserien geschützte Verkehrsteilnehmer*innen, gewinnbringende, wenigstens kostendeckende Parkraumbewirtschaftung. Und: weniger Autos, weniger Autos, weniger Autos.

Warum knickt der Verein, der 140.000 Mitglieder hat und jedes Jahr die – nach Selbstauskunft – größte Fahrraddemo der Welt auf die Räder bringt, dermaßen ein, wenn es um Haltung gegenüber einer autoverrückten Politik geht?
Die Menschen in den Städten, in denen ein Drittel (Nürnberg) bis die Hälfte (Berlin) aller Haushalte KEIN Auto hat, wollen anders leben – ohne zugeparkte Plätze und Straßen, ohne Emissionen, klimaschädliche Abgase, Lärm und die beständige physische Bedrohung, die von stehenden wie fahrenden Fahrzeugen ausgeht. Denn ja, auch parkende Pkw besetzen nicht nur unverhältnismäßig viel öffentlichen Raum, der anders, besser genutzt werden könnte, sondern sind gefährliche Sicht-und Bewegungshindernisse.
Wenn sich der adfc-Bundesvorstand fragt, weshalb (junge) Radfahrende ihrem Verein nicht beitreten, dann lautet die Antwort: weil er nicht ihre Interessen vertritt. Er müsste sich klar und deutlich positionieren. Mit Forderungen, die die Politik für unrealistisch halten mag. Die aber eine Mehrheit in diesem Land mittragen würde, hätten Politik und Verwaltung endlich den Mut, sie umzusetzen. Dazu braucht es starke Interessenvertreter, die Druck machen und die ihre Mitglieder mobilisieren, wenn nichts passiert.

Wir laden alle adfc-Aktiven ein, bei der nächsten Critical Mass mitzufahren. In Berlin: am 26.12., 20 Uhr ab Mariannenplatz.
Andere Städte findet ihr hier.

  1. Selbst als leidenschaftlicher Fahrradfahrer und Vertreter einer neuen zweirädigen Ideen von Mobilität komme ich oft nicht umhin, den ADFC und den ADAC in den gleichen Sympathietopf zu werfen. Denn mit der Klientel, die hier wie dort vertreten wird, kann ich mich nicht identifizieren. Beim ADFC geht es um Warnwestenträger. Radelnde Wochenendeausflügler. Um Radpendler mit teurem Cityrad und Ortlieb-Panniers., TÜV-geprüfter Lichtanlage und natürlich Reflektoren in den Speichen. So langweilig und altbacken wie sich diese Auflistung liest, so wird dieser Verein von jungen, dynamischen und nach vorne denkenden Fahrradafficionados wahrgenommen. Man sieht sich etwa dann bestätigt, wenn ohne Not proaktiv eine Absenkung der Promillegrenze für die eigene Klientel gefordert wird. Das ist deswegen schade, weil sich der ADFC damit eines großen Potenzials nebst der Möglichkeit beraubt, wirklich politisch Gewicht zu erlangen.

  2. Die große Vision? Der ADFC hat 2013 ein verkehrspolitisches Programm vorgelegt. Er fordert darin Bund, Länder und Kommunen auf, Radverkehr zu organisieren, der nicht nur sicher ist; sondern bei dem sich auch alle Radfahrenden sicher fühlen und Radfahren angenehm möglich ist. Alle Radfahrenden heißt auch Anfänger, Kinder, alte Menschen, Menschen aus anderen Kulturkreisen etc. Das verlangt einen konsequenten Umbau unserer Städte und ihrer Straßen. Das verlangt, über die Forderungen kleiner Gruppen besonders taffer Radfahrer weit, sehr weit hinaus zu gehen.
    Radikaler könnten die Forderungen des ADFC nicht sein! Eindeutiger könnte die Vision nicht sein!
    Und es ist nicht Spinnerei: Paris und New York (und hunderte andere Städte weltweit) machen vor, dass das über Kopenhagen und die Niederlande hinaus auch tatsächlich geht – wenn Politik und Verwaltung mutig sind und ihre Stadt wirklich modernisieren wollen.
    ABER: Wer das erreichen will, muss bei 30 Millionen Radfahrenden dafür werben dass sie mehr fahren. Und bei 50 Millionen Nicht-Radfahrenden, dass sie damit anfangen. Niemals geht der Umstieg aufs Rad gegen die Menschen. Allein diese Überzeugung bestimmt das Handeln des ADFC-Bundesverbandes.

    Und das wir die Clevere Städte-Position fachlich und vom Ansatz her nicht für überzeugend halten, ist doch wohl wirklich nicht mehr als eine Marginalie, oder?
    Schöne Weihnachten!

    Burkhard Stork
    ADFC-Bundesgeschäftsführer
    http://www.adfc.de/grundsatzprogramm/verkehrspolitisches-programm

      1. @Flix: Ein inhaltliches Argument wäre schon schön gewesen.

        Ich finde am ADFC ja immer wieder schön und interessant, dass dort eben nicht der _eine_ Radfahrer bestimmt, sondern dass man sich mit der gesamten Breite des Radfahrens auseinander setzen muss. Vom helmtragenden Warnwestenwochenend-Fahrer bis zur beinharten Fahrbahnfahrerin.

        Ein Beispiel für den Versuch, eine „radikale Forderung“ durch zu setzen:
        https://www.facebook.com/abaufdiestrasse

  3. Ich sehe das so, dass Höhe der Strafen fürs Falschparken ein Indikator für den Stellenwert des MIV ggü. Fußgängern und Radfahrern in einer Gesellschaft ist. Es ist daher eher sinnlos, hier isoliert anzusetzen. Zumal sich die Bußgelder proportional mir dem angerichteten „Schaden“ erhöhen sollten, und das wäre bei einer größeren punktuellen Veränderung nicht mehr gegeben.
    Der AFDC ist in der Breite natürlich handzahm und angepasst, hat aber auch wenig „Druckmittel“, um seine Forderungen durchzusetzen und muss sich bei konkreten Konflikten zurückhaltend verhalten. Das entspricht wohl auch der durchschnittlichen Mitgliedermeinung.

    1. Danke für den ausführlichen Kommentar.
      Hier bloggen Personen verschiedenster Meinung, die aber die CM AUCH als politische Aktionsform verstehen. Schaut man sich Entstehung und Entwicklung der CM weltweit an, wird deutlich, dass es sich hierbei nicht bloß um eine Party, sondern eine Protestform handelt, die mehr Raum und Rechte für Radfahrer*innen fordert und sich in die größere Bewegung RECLAIM THE STREETS einordnen lässt.
      Ich/Wir erkenne/n die Arbeit des adfc durchaus an. Dennoch würden wir uns wünschen, dass sein Ziel, den Radverkehr in diesem Land und weltweit voranzubringen, sichtbarer würde in der Öffentlichkeit und er sich gegenüber Politik und Verwaltung selbstbewusst(er) artikulierte – mit klaren Forderungen.
      Bevor die Petition online ging, gab es seitens der Initiative für Clevere Städte durchaus den Versuch, den adfc einzubinden. Das ist nur zu Teilen gelungen. Die Distanzierung durch den Bundesverband in einem internen Papier mit der expliziten Aufforderung an Kreis- und Landesverbände, die Petition NICHT zu unterzeichnen, obwohl man die Ziele der Petition für richtig hält, war Auslöser für die hier geäußerte Kritik, denn begründet wurde die Position mit “nicht durchsetzbar”, “Bußgelder viel zu hoch angesetzt” etc. Warum aber sollte in Deutschland nicht gehen, was in anderen EU-Ländern längst Realität ist? Defätismus bringt uns nicht weiter.
      Frohe Weihnachten und auf ein gutes gemeinsames 2015, everydaycm

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